Was ist eine Ertragsausfallversicherung?
Eine Ertragsausfallversicherung, oft auch als Betriebsunterbrechungsversicherung bezeichnet, ist eine spezielle Form der Schadenversicherung, die Unternehmen vor den finanziellen Folgen einer unvorhergesehenen Geschäftsunterbrechung schützt. Sie gehört zum Bereich des Risikomanagements und soll sicherstellen, dass ein Unternehmen trotz eines Stillstands oder einer erheblichen Beeinträchtigung des Betriebs weiterhin seine fortlaufenden Betriebskosten decken und entgangene Gewinnmarge ausgleichen kann. Im Gegensatz zu einer reinen Sachversicherung, die den Wiederbeschaffungswert beschädigter Vermögenswerte abdeckt, konzentriert sich die Ertragsausfallversicherung auf den entstandenen Vermögensschaden durch den Ausfall des operativen Geschäftsbetriebs.
Geschichte und Ursprung
Die Notwendigkeit einer Absicherung gegen den Ausfall von Erträgen wurde bereits früh erkannt. Erste Konzepte zur Deckung von Folgeschäden aus Sachschäden finden sich bereits im 18. Jahrhundert in der maritimen Versicherung. Die moderne Form der Ertragsausfallversicherung entwickelte sich jedoch maßgeblich im 19. Jahrhundert. Ein früher Vorläufer war die "Chômage Insurance", die 1857 im Elsass, Frankreich, eingeführt wurde und eine Entschädigung für den Ertragsausfall bei Betriebsstillstand vorsah. Die Entwicklung v5on standardisierten Bilanzierungs- und Buchhaltungsprinzipien im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts war entscheidend für die Weiterentwicklung und Akzeptanz dieser Versicherungsart, da sie eine verlässlichere Grundlage für die Bestimmung des tatsächlichen Schadens lieferte. In Deutschland wurde d4ie erste eigenständige Feuer-Betriebsunterbrechungs-Police im Jahr 1956 eingeführt.
Key Takeaways
- Die Ertragsausfallversicherung deckt entgangene Gewinne und fortlaufende Kosten bei einer Betriebsunterbrechung ab.
- Sie ist eine essenzielle Komponente des Risikomanagements für Unternehmen.
- Ein versicherter Sachschaden ist in der Regel Voraussetzung für eine Leistung aus der Ertragsausfallversicherung.
- Die Höhe der Deckung basiert auf dem prognostizierten Cashflow und den Fixkosten des Betriebs.
- Die sogenannte Haftzeit begrenzt den Zeitraum, für den die Versicherung Leistungen erbringt.
Ertragsausfallversicherung interpretieren
Die Interpretation einer Ertragsausfallversicherung konzentriert sich auf die genaue Bestimmung des entstandenen Schadens nach einer Betriebsunterbrechung. Die Hauptkomponenten, die die Ertragsausfallversicherung absichert, sind der entgangene Gewinn, der dem Unternehmen während des Ausfallzeitraums entgangen wäre, sowie die fortlaufenden fixen Kosten. Zu den fortlaufenden Kosten zählen beispielsweise Mieten, Gehälter, Zinszahlungen und andere Ausgaben, die auch bei ruhendem Betrieb weiter anfallen. Die Ermittlung des Schadens erfordert oft eine detaillierte Analyse der historischen Finanzdaten des Unternehmens und eine Prognose der erwarteten Geschäftsentwicklung ohne den Schadensfall. Ziel ist es, den Versicherungsnehmer so zu stellen, als wäre die Betriebsunterbrechung nicht eingetreten. Wichtig ist auch die vereinbarte Haftzeit in der Versicherungspolice, die den maximalen Zeitraum festlegt, für den der Versicherer Leistungen erbringt.
Hypothetisches Beispiel
Stellen Sie sich eine Bäckerei vor, die aufgrund eines Wasserschadens nach einem Rohrbruch für zwei Monate geschlossen werden muss. In dieser Zeit kann sie keine Brötchen backen und verkaufen. Die Ertragsausfallversicherung würde hier greifen.
- Schadensereignis: Ein Rohrbruch führt zu einem erheblichen Wasserschaden, wodurch die Produktionsanlagen der Bäckerei nicht genutzt werden können.
- Betriebsunterbrechung: Die Bäckerei muss für zwei Monate vollständig schließen, um die Schäden zu beheben und die Anlagen zu reparieren.
- Entgangener Gewinn: Normalerweise hätte die Bäckerei in diesen zwei Monaten einen Gewinn von 20.000 € erzielt. Dieser Betrag wird von der Ertragsausfallversicherung erstattet.
- Fortlaufende Kosten: Trotz der Schließung muss die Bäckerei weiterhin die Miete für ihre Geschäftsräume (2.000 €/Monat), die Gehälter für das festangestellte Personal (3.000 €/Monat) und andere feste Ausgaben wie Stromgrundgebühren oder Kreditzinsen (500 €/Monat) zahlen. Die gesamten fortlaufenden Kosten belaufen sich auf 5.500 € pro Monat, also 11.000 € über zwei Monate. Auch diese Kosten werden von der Ertragsausfallversicherung übernommen.
- Gesamtschaden: Die Ertragsausfallversicherung würde in diesem Fall insgesamt 31.000 € (20.000 € entgangener Gewinn + 11.000 € fortlaufende Kosten) zahlen, abzüglich eines eventuell vereinbarten Selbstbehalts. Dies ermöglicht der Bäckerei, ihre finanzielle Liquidität zu erhalten und eine mögliche Insolvenz abzuwenden.
Praktische Anwendungen
Die Ertragsausfallversicherung findet breite Anwendung in Unternehmen verschiedenster Branchen, insbesondere in solchen, deren Geschäftstätigkeit stark von physischen Anlagen oder spezifischen Standorten abhängt. Sie ist von großer Bedeutung für produzierende Gewerbe, Handelsunternehmen, Gastronomiebetriebe und Dienstleister mit festen Betriebsräumen.
- Produzierendes Gewerbe: Nach einem Brand in einer Fabrik kann die Produktion monatelang stillstehen. Die Ertragsausfallversicherung deckt den Verlust der Umsatzerlöse und die weiterlaufenden Kosten während des Wiederaufbaus.
- Einzelhandel: Ein Wasserschaden in einem Ladengeschäft kann dessen vorübergehende Schließung erzwingen. Die Versicherung ersetzt den entgangenen Verkaufserlös.
- Hotellerie und Gastronomie: Nach einem Sturmschaden am Dach eines Hotels muss der Betrieb eingestellt werden. Die Ertragsausfallversicherung hilft, Gehälter und Pacht zu bezahlen, während keine Einnahmen generiert werden.
Die Bedingungen und der Umfang der Ertragsausfallversicherung werden in den Allgemeinen Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungs-Bedingungen (FBUB) sowie den Zusatzbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) festgelegt. Unternehmen können sich bei regionalen Industrie- und Handelskammern (IHKs) über die Relevanz und3 Ausgestaltung dieser Absicherung informieren.
Einschränkungen und Kritik
Trotz ihrer Bedeutung weist die Ertragsausfallversicherung bestimmt2e Einschränkungen und Kritikpunkte auf. Ein zentraler Punkt ist die Definition des versicherten Schadensfalls, da die Leistung der Versicherung in der Regel einen direkten Sachschaden voraussetzt, der zu der Betriebsunterbrechung führt. Nicht immer sind beispielsweise Betriebsunterbrechungen aufgrund von Pandemien, Cyberangriffen ohne physischen Schaden oder Lieferkettenstörungen ohne direkten Schaden am versicherten Objekt automatisch abgedeckt. Dies wurde insbesondere während der COVID-19-Pandemie deutlich, als viele Unternehmen feststellten, dass ihre Policen keine Deckung für Betriebsstillstände aufgrund behördlicher Anordnungen enthielten, es sei denn, der Vertrag sah dies explizit vor oder es gab eine dynamische Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz.
Weitere Kritikpunkte umfassen:
- Komplexität der Schadensberechnung: Die präzise Ermittlung des ent1gangenen Gewinns und der fortlaufenden Kosten kann komplex sein und erfordert eine genaue Risikobewertung und detaillierte Buchführung. Uneinigkeiten über die Höhe des Schadens sind keine Seltenheit.
- Haftzeit: Die vereinbarte Haftzeit ist ein kritischer Faktor. Ist sie zu kurz gewählt, kann das Unternehmen auch nach Auslaufen der Versicherungsleistung noch erhebliche Verluste erleiden, wenn der Wiederaufbau länger dauert.
- Prämie und Deckungsumfang: Die Höhe der Versicherungsprämie und der Umfang der Deckung müssen sorgfältig auf die individuellen Risiken des Unternehmens abgestimmt werden. Eine Unterversicherung kann im Schadensfall zu erheblichen finanziellen Lücken führen.
Ertragsausfallversicherung vs. Betriebshaftpflichtversicherung
Obwohl beide Versicherungsarten für Unternehmen unerlässlich sind, decken die Ertragsausfallversicherung und die Betriebshaftpflichtversicherung grundlegend unterschiedliche Risiken ab.
Merkmal | Ertragsausfallversicherung | Betriebshaftpflichtversicherung |
---|---|---|
Zweck | Schützt vor finanziellen Verlusten durch Betriebsunterbrechung (entgangener Gewinn, fortlaufende Kosten) nach einem Sachschaden am eigenen Betrieb. | Schützt vor Schadenersatzansprüchen Dritter (Personen-, Sach- und Vermögensschäden), die durch die betriebliche Tätigkeit verursacht wurden. |
Versichertes Gut | Die Ertragskraft bzw. das Nutzungspotenzial des eigenen Betriebs. | Die Haftpflicht des Unternehmens gegenüber Dritten. |
Auslöser | Sachschäden am eigenen Betrieb (z.B. Feuer, Leitungswasser, Sturm) oder andere vereinbarte Ereignisse, die zu einer Unterbrechung führen. | Fehler, Versäumnisse oder Schäden, die das Unternehmen oder seine Mitarbeiter Dritten zufügen. |
Leistung | Ersetzt den entgangenen Gewinn und die Fixkosten. | Übernimmt die Kosten für berechtigte Schadenersatzforderungen und wehrt unberechtigte ab. |
Die Ertragsausfallversicherung fokussiert sich auf die Absicherung des innerbetrieblichen Ertragsausfalls, während die Betriebshaftpflichtversicherung das Unternehmen vor externen Haftungsrisiken schützt, die durch Dritte geltend gemacht werden könnten.
FAQs
1. Welche Risiken deckt eine Ertragsausfallversicherung typischerweise ab?
Eine Ertragsausfallversicherung deckt in der Regel die finanziellen Folgen von Betriebsunterbrechungen ab, die durch versicherte Sachschäden wie Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel oder Einbruchdiebstahl am eigenen Betriebsgebäude oder Inventar verursacht werden. Je nach Versicherungspolice können auch erweiterte Gefahren oder Elementarschäden mitversichert sein.
2. Was ist der Unterschied zwischen einer kleinen und einer großen Ertragsausfallversicherung?
Der Unterschied liegt meist im Umfang und der Bemessung der Versicherungssumme. Eine "kleine" Ertragsausfallversicherung ist oft an eine Sachversicherung gekoppelt und deckt bestimmte, klar definierte Risiken für kleinere Betriebe ab, wobei die Versicherungssumme häufig der der Inhaltsversicherung entspricht. Eine "große" Ertragsausfallversicherung bietet in der Regel einen umfassenderen Schutz, höhere Deckungssummen und kann auch zusätzliche Gefahren abdecken.
3. Wie wird die Versicherungssumme für eine Ertragsausfallversicherung berechnet?
Die Berechnung der Versicherungssumme sollte den voraussichtlichen Bruttogewinn (Umsatzerlöse abzüglich variabler Kosten) sowie alle fortlaufenden festen Betriebskosten des Unternehmens für die Dauer der maximal möglichen Betriebsunterbrechung (Haftzeit) umfassen. Es ist entscheidend, diese Summe sorgfältig zu ermitteln, um eine Unter- oder Überversicherung zu vermeiden und im Schadensfall eine adäquate Entschädigung zu erhalten. Eine professionelle Risikobewertung ist hierbei ratsam.